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Erfolgreiche Durchsetzung

Bilanzielle Behandlung von Provisionszahlungen = Gewinnrealisation gemäß vertraglicher Vereinbarungen(Bundesfinanzhof BFH-Urteil vom 17.03.2010, X R 28/08)

Gewinne sind im Jahresabschluss nur (Bedingung) und erst (Zeitpunkt) zu berücksichtigen, wenn sie zum Abschlussstichtag realisiert sind (Gewinnrealisationsprinzip gem. § 252 HGB).
Eine korrespondierende Forderung muss demnach zum Bilanzstichtag rechtlich entstanden sein, zumindest müssen die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen zum Abschlussstichtag gesetzt worden sein.

Auf die bloße Fälligkeit der Forderung zum Bilanzstichtag kommt es hingegen nicht an.

Vor diesem Hintergrund haben wir als Prozessbevollmächtigte unsere Mandantschaft in erster Instanz vor dem Finanzgericht Sachsen-Anhalt vertreten und gegen das Urteil des Finanzgerichts unmittelbar Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt.

Als bilanzierungspflichtiger Versicherungsvertreter / Versicherungsmakler hatte unser Mandant für verschiedene Versicherungsgesellschaften (Lebens-)Verträge vermittelt und hierfür Provisionszahlungen erhalten. Diese wurden zum Teil ausdrücklich als „Provisionsvorschüsse“ vereinbart / bezeichnet.

Umgekehrt konnten Provisionszahlungen bei vorzeitiger Vertragsauflösung oder Vertragsaufhebung während des sog. Produkthaftungszeitraums von der Versicherungsgesellschaft (zeit-)anteilig und mit sofortiger Fälligkeit zurückgefordert werden (sogenanntes „Haftungsvolumen“).

Strittig war der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung (In § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. HS HGB ist das Imparitätsprinzip kodifiziert und nicht das Realisationsprinzip) aus diesen Vermittlungsprovisionen und deren bilanzsteuerrechtliche Behandlung.

Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht vertraten die Auffassung, dass die Provisionsforderung bereits dann gewinnerhöhend zu aktvieren ist, wenn der Versicherungsvertreter seine Leistung erbracht hat und diese von der Versicherung abgenommen (= policiert) wurde.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung wäre die volle Gewinnrealisation demnach bereits mit der Zahlung der Erstprämie durch den Versicherungsnehmer entstanden = Zahlung der Provision an den Versicherungsvertreter (§ 92 Abs. 4 HGB). Die Entstehung von Provisionsansprüchen könne von daher nicht vertraglich vereinbart werden, lediglich der Zeitpunkt der Fälligkeit wäre vertraglich gestaltbar.

Entgegen dieser Auffassung folgte der Bundesfinanzhof unserer Argumentation und stellte in seinem richtungsweisenden (Grundsatz-)Urteil klar, dass der Zeitpunkt der Gewinnrealisation sehr wohl vertraglich ausgestaltet werden kann und dass dies auch bilanzsteuerrechtlich zu beachten ist.

Der Provisionsanspruch entsteht für Versicherungsvertreter gemäß § 92 Abs. 4 HGB, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus welcher sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis ermittelt (jeweils 1/60 für jeden Monat bei 60 Monaten Vorschuss = Haftungszeitraum).

Als mögliche Realisationszeitpunkte nennt der Bundesfinanzhof in seinem Urteil:

  • die Zahlung der ersten Jahresprämie (häufig bei Sachversicherungen)
  • die Zahlung einer bestimmten Anzahl von Monatsprämien (häufig bei Lebens- oder Rentenversicherungen)
  • oder die Zahlung der Abschlussgebühr.

Wurde im Versicherungsvertrag die Zahlung einer bestimmten Anzahl von Monatsprämien (i.d.R. 60 Monate) vereinbart, kann aus dem Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsvertreter und Versicherungsgesellschaft ein Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters aus jeder Prämienzahlung vertraglich vereinbart werden (i.d.R. 60 Monate = 5 Jahre / jedoch mit einem Vorschuss von i.d.R. 90% der Gesamtprovision).

Vertraglich entstandene = schon verdiente Provisionsansprüche sind als Provisionsforderungen gewinnerhöhend zu aktivieren.

Provisionsvorschüsse (für zukünftige Monate) werden dagegen zunächst gewinnneutral als „Verbindlichkeiten aus erhaltenen Anzahlungen“ passiviert und in Abhängigkeit von den vertraglichen Vereinbarungen zum jeweiligen Realisationszeitpunkt später erst ratierlich gewinnerhöhend ausgebucht (pro Monat 1/60tel = bis zu 12/60tel zum jeweils nächsten Bilanzstichtag).

Demnach hätte der Versicherungsvertreter zunächst nur einen „Provisionsvorschuss“ (für 60 Monate 90%) erhalten (zugeflossen) aber noch nicht verdient. Erst mit Ablauf für bis zum jeweiligen Bilanzstichtag schon vergangenen und bezahlten x-Beitragsmonate hätte der Versicherungsvertreter dann x/60tel verdient und müsste den sich daraus ergebenden Teilbetrag dann erst aus den passivierten „Verbindlichkeiten aus erhaltenen Anzahlungen“ gewinnerhöhend auflösen (über GuV).

Für risikobehaftete Provisionsansprüche, z.B. durch Rückforderungen bei Vertragsauflösung innerhalb des Produkthaftungszeitraums, können auch Wertberichtigungen gebildet werden.

Dieses viel beachtete Urteil war mittlerweile Gegenstand von zahlreichen Fachbeiträgen und wurde durch mehrere Finanzgerichte und auch durch den Bundesfinanzhof selbst bei weiteren Fällen und Sachverhalten zum Zeitpunkt der Gewinnrealisierung (von Provisionsansprüchen) im Rahmen der Urteilsbegründung zitiert.

  1. FG Münster Urteil vom 21. Dezember 2011 · Az. 9 K 3802/08 K, Zerl, F, G
  2. Bundesfinanzhof BFH-Urteil vom 14.05.2014, VIII R 25/11
  3. Finanzgericht Münster: Urteil vom 28.04.2016 – 9 K 843/14 K,G,F,Zerl
  4. LG Leipzig, 09.03.2016 - 4 HKO 577/15
  5. OLG Dresden, 09.02.2017 - 8 U 576/16
  6. Niedersächsisches FG Beschluss vom 21. November 2012 · Az. 2 K 38/12
  7. OFD Niedersachsen v. 01.08.2014 - S 2133 - 37 - St 221/St 222

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